MOE 2010

MOE 2010

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MOE 2010

Testplanung Gestaltungsplan Mitteldorf Möhlin

Verfahren: zweistufige Testplanung nach Präqualifikation, 1. Rang, anschliessend Richtprojekt für Gestaltungsplan

Zeitraum 2020 - 2021

Auftraggeber: Gemeinde Möhlin

WETTBEWERBSVERFAHREN mit: Bischoff Landschaftsarchitektur, Baden

GESTALTUNGSPLAN mit: Marti Partner, Zürich

Linie mit Tiefe

Seit 1840 verläuft die heutige Hauptstrasse nachweislich zwischen Hügelkante und Bachlauf. Diese landschaftliche Situation war entscheidend für die Entwicklung Möhlins als Strassendorf. Charakter und Körnung der historischen Struktur prägen das Mitteldorf bis heute: Die Strasse in der Mitte, links und rechts davon Vorplätze, Zugänge, Manövrierfläche, dahinter die Gebäude. Nun wird das Mitteldorf wieder zu einem lebendigen Teil des Dorfkerns – und bleibt dem Bild des Strassendorfs treu. Die Bebauung konzentriert sich als Linie an der Strasse, doch neu schafft sie auch Bezüge zu den Räumen dahinter, die beide Seiten bereichern. Die klaren Fassadenlinie stärkt zusammen mit den Vorgärten die Hauptstrasse. Dem Bachraum gewährt sie Platz, um seine Wirkung als Biotop und wertvolles Siedlungselement zu entfalten. Sie aktiviert den Park und erweitert ihn visuell mit den Gärten. Und sie schafft umgekehrt Gärten, die bei aller Geborgenheit das Gefühl vermitteln, in einem Park und an einem Bach zu leben. Davon profitieren nicht nur die Anwohnenden. Mit dem neuen Durchgang und der öffentlichen Umgebung des Bürgerhauses wird der Ort zwischen Bach, Park und Hauptstrasse ein Begegnungs- und Lebensraum für Möhlin.

An der Strasse – Während die typische Bebauung an der Strasse erhalten geblieben ist, sind die zugehörigen Vorzonen heute verschwunden. Künftig werden Baukörper und Vorgärten wieder als zusammengehörige Elemente in Erscheinung treten, die den Strassenraum fassen und gestalterisch prägen. Die Fassaden rhythmisieren den Raum, ihrem Rhythmus folgend fügen sich Grünflächen und Hartflächen zur Gebäudevorzone, dazwischen öffnen sich schmale, vielsprechende Blicke in den Park. Die freie Platzierung der Bäume in den Vorgärten interpretiert die Vorgabe der Strassenbaumreihe leicht um – mit ähnlicher Wirkung, doch im Kontext passender. Das historische Ensemble aus Brunnen und Nussbaum bleibt erhalten und prägt den Strassenabschnitt.

Im Haus – Bindeglied zwischen Strassen- und Grünraum sind die Wohnhäuser. Zur Strasse präsentieren sie sich mit ruhigen Dachflächen, traufständig, als zweigeschossige Volumen. Im Erdgeschoss teilen sich Wohn- und ein Gewerbeteil je eine mittige Eingangszone und nehmen damit ein bekanntes Thema der lokalen Baukultur auf. Auf der Gartenseite schaffen Lauben die Anmutung von Gartenwohnungen und leiten damit nahtlos zu Garten und Park über.

Im Garten – Die privaten Gärten erhalten dank eines einfachen Kunstgriffs Tiefenwirkung: des Verzichts auf Sträucher. Die Gartenbäume und die Parkbäume im Hintergrund stehen in der offenen Wiese und fügen sich so visuell zu einem Ganzen. Der Blick und mit ihm die Gärten scheinen über den Bach – das A-Ha – hinweg bis zum Park zu reichen. Die teils privaten, teils gemeinschaftlichen Gartensitzplätze am Fassadenfuss der Gebäude machen diese Weite erlebbar.

Am Bach – Der Park und der Bach rücken dank weniger, schlichter Gesten verstärkt ins Zentrum, sie werden nahbarer und besser nutzbar: Die Revitalisierung des Bachs, die Aufweitung und die Abflachung der Ufer einerseits, der neue öffentliche Weg, der Platz vor der Brücke und zwei Sitztreppen zum Wasser andererseits machen den Bachraum wahrnehmbar und zugänglich. Eine Niedrigwasserrinne ermöglicht auch bei Hitze das Überleben der Fische, das Flachufer schafft wertvolle Lebensräume. Jenseits der Brücke schliessen zwei neue Wegstücke den Bachraum an den Park an. Sie ergänzen den bestehenden Parkweg zum Rundweg, knüpfen an den alten Glanz des herrschaftlichen Parks an und bringen den wertvollen Baumbestand zur Geltung.

Rund ums Bürgerhaus – Die Setzung des neuen Bibliothekshauses stärkt die Zugangssituation und wertet das Erscheinungsbild zur Kreuzung hin auf. Das gestattet auch eine sinnvolle Neuorganisation des Bibliothekshauses mit minimalem Aufwand. Statt harter Beläge umgibt künftig eine einladende Grünfläche mit Baumschatten, einer Terrasse und Spielmöglichkeiten das Ensemble. Unauffällig liegt an der Bachstrasse die Tiefgarageneinfahrt für alle Parzellen, die oberirdischen Parkplätze werden reduziert und den Gebäuden bedarfsgemäss zugeteilt. Der neue, grünere öffentliche Raum wird Teil eines grösseren Ganzen, das aus den Qualitäten der Lage schöpft.

Mitten im Dorf – Der neue Dorfteil ist umfassend ins Dorf eingebunden und wirkt selbst als Mittler im Dorf. Öffentliche Gebäude, Gewerbe, Wohnhäuser, Park und Bach sind dank des verbesserten Wegenetzes optimal verbunden. Eine Strassenquerung in Verlängerung der neuen Brücke erschliesst zudem einen sicheren Schul- und Einkaufsweg.

Ein unkomplizierter Prozess – Die gemeinsame Planung ermöglicht eine Realisierung mit minimalen gegenseitigen Absprachen und ohne zeitliche Zwänge. Sie ist darauf ausgelegt, ohne Ausnahmeregelungen, etwa bei feuerpolizeilichen Abständen, Gewässerabständen oder Gebäudehöhen, auszukommen, was den Prozess unkompliziert hält. Der Entwurf gestattet unterschiedliche Etappierungen, wobei sich jede Etappe unaufgeregt ins Dorfbild fügt. Mit einem optionalen, flächengleichen Landabtausch lassen sich die Parzellen einfach bereinigen. Die Planung beansprucht eine moderate AZ-Erhöhung von rund 15% zur Regelbauweise und orientiert sich damit an der Arealüberbauung als Richtgrösse.

Text: Silke Schmeing

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